Wie in allen Einsatzlagen ist die Erkundung immanent wichtig. Die Erkundung muss im Ab-schluss zu einem gesicherten Lagebild führen, auf dessen Grundlage weitere Maßnahmen zur Gefahrenabwehr geplant und umgesetzt werden können.
Soweit es eine Eigenfährdung von Einsatzkräften ausschließt, steht an erster Stelle die fußläufige Erkundung. Aber nicht nur zu Fuß sollte die Erkundung durchgeführt werden, angemessen sind auch:
- der Einsatz eines unbemannten Luftfahrzeuges (ULF) in Form einer Drohne, z.B. von Technischem Hilfswerk (THW), Feuerwehr oder Polizei,
- oder ggf. alternativ zum ULF der Einsatz einer Drehleiter mit Korb der Feuerwehr, eines Bergeräumgerätes mit Arbeitsbühne des THW (Teleskoplader), eines Hubsteigers (zivile Wirtschaft) oder eines Autokranes mit Gondel
um sich ein Bild aus der Höhe von der Einsatzstelle zu machen. Auch über den Einsatz eines Hubschraubers, z.B. der Polizei, kann nachgedacht werden. Wichtig ist, dass im Ergebnis des Einsatzes der obigen Mittel aussagekräftige Bilder von der Einsatzstelle vorliegen.
Weiterhin sind im Rahmen der Erkundung Informationen über bereits bestehende Gefahren oder Gefährdungen und mögliche weitere Gefährdungen zu erlangen, die eine wesentliche Verschlechterung der Lage herbeiführen können. Fragestellungen in diesem Zusammenhang sind:
- Sind Personen in Gebäuden oberhalb oder unterhalb des Hanges durch die Rutschung gefährdet?
- Sind (Nutz-)Tiere in Gebäuden oder Freiflächen oberhalb und unterhalb des Hanges durch die Rutschung gefährdet (z.B. Schweinemastanlage, Pferdestallungen, Geflügelzuchtanlage)?
- Bestehen durch die Rutschung Gefahren/ Gefährdungen von Ver- und Entsorgungsleitungen (Erd- wie Freileitungen) z.B. der Strom-, Gas-, Wärme- und Wasserversorgung bzw. Abwasserentsorgung?
- Sind Gebäude im Allgemeinen ober- und unterhalb des Hanges durch die Rutschung gefährdet?
- Liegt der Hang in einem aktiven Bergbaugebiet oder Bergbau Altgebiet?
- Wie entwickelt sich die Wetterlage in den kommenden 12h/ 24h/ 48/h?
- Verlaufen in unmittelbarer Nähe der Hanges Verkehrswege, die Erschütterungen verursachen oder auslösen können und zu einer Verschlechterung der Lage beitragen oder beitragen könnten?
- Um was für ein Bodenmaterial handelt es sich und welche Eigenschaften weist das vorrangige Bodenmaterial aus?
- Sind frühere Rutschungen bekannt?
Es wird deutlich, dass im Einsatzfall eine Vielzahl von Akteuren ggf. in die Erkundung einzubeziehen sind, um klare und eindeutige Informationen zu erlangen.
Dazu können gehören:
- Baufachberater/ Statiker,
- Geologen,
- Bergbauingenieure,
- Mitarbeiter von Ver- und Entsorgungsunternehmen,
- Mitarbeiter von Kommunal- oder Landesbehörden aus den Sachgebieten Umwelt, Bergbau, Wasserwirtschaft, Geologie
- Fachkundige von zivilen Bauunternehmen bzw. aus Ingenieurbüros.
Stichwort Baufachberater. In vielen Landkreisen und kreisfreien Städten können über die Rettungsleitstellen entsprechende fachkundige Personen angefordert werden. Organisationen wie das THW halten in ihren Reihen eigene Baufachberater vor. Der Begriff ist aber nicht zu eng an den Begriff Hochbau zu knüpfen. Unter den Bauchfachberatern, die z.B. als Mitarbeiter einer Behörde tätig sind oder im THW, gibt es nicht wenige, die aus dem Bereich Spezial- und Umweltingenieurbau kommen und in Bezug auf unsere Hangrutschung eine gewisse Expertise beisteuern können.
Stichwort Kommunal- und Landesbehörden. Deutschland ist ein föderaler Staat. Daher sind Behörden und ihre Zuständigkeiten in den Bundesländern zumeist höchst unterschiedlich aufgebaut und geregelt. Aus diesem Grund kann an dieser Stelle nicht gesagt werden, welche Behörde in welchem Bundesland zu Rate gezogen werden kann.
Weiterhin empfiehlt sich im Rahmen der Erkundung ein Monitoring des Hanges, um dessen Bewegungsverhalten festzustellen. Gleichzeitig bietet ein Monitoring im weiteren Verlauf des Einsatzes einen gewissen Schutz für die mit der Gefahrenabwehr beauftragten Einsatzkräfte. Beispielsweise hält das THW mit dem Trupp Einsatzstellen-Sicherungs-System (ESS) entsprechende Mittel und Spezialisten vor, die ein solches Monitoring vornehmen können.
Hangrutschungen können auch das Ergebnis eines bereits eingesetzten Bodenerosionsprozesses durch Wasser sein. Das Niederschlagsereignis ist dann eher der Auslöser jedoch nicht die Ursache für den Hangrutsch. Auf Wassererosion an einem Hang deuten hin, flächige Erosion in Form feiner Rillen über den Hang verteilt, Rillenerosion (<10 cm Tiefe), Rinnenerosion (10 bis <40 cm Tiefe) und Grabenerosion (≥ 40 cm Tiefe) ²
In diesem Zusammenhang ist zu erkunden, wie anfällig das Gebiet für Erosion ist bzw. ob entsprechende Erkenntnisse bereits vorliegen.
² S. 14, Beratungsleitfaden Bodenerosion und Sturzfluten, Hrsg. Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau Sachsen-Anhalt, Schriftenreihe der LLG, Heft 1/2018
[Thomas Preiß]