Vor 20 Jahren…

Notdeich in Dessau-Waldersee -Folienverbau im Sandsackdamm?

In diesen Tagen jährt sich eines der größten Hochwasser der Nachkriegszeit zum 20. Mal.

Es war mein erster großer Einsatz – seinerzeit noch als Helferin mit entsprechendem Blickwinkel. Heute – 20 Jahre später – würde sicherlich vieles anders laufen. Man hat gelernt, ich habe gelernt und lehre.

Hier zunächst ein Auszug aus meinem Artikel für das Jahrbuch 2002/2003 meiner Schule:

„…Dann ging es zur nächsten Einsatzstelle… bevor wir damit fertig waren, erreichte uns die Nachricht, dass am Schwedenhaus bei Waldersee ein Deich gebrochen war. Alle Einheiten im Gebiet sollten den laufenden Einsatz abbrechen und sich bei der Einsatzleitung für weitere Maßnahmen melden… Inzwischen wurde von der Einsatzleitung der Beschluss gefasst, durch das vom Wasser bedrohte Waldersee einen Notdeich zu ziehen… jede Einheit sollte eine fünfzig Meter lange Baustelle übernehmen und dort mit Hilfe von Freiwilligen einen 1,70 Meter hohen Sandsackdamm errichten. Die Zeit drängte, denn das Wasser floss mit einer Geschwindigkeit von sechs Metern in der Minute auf Waldersee zu.

Etwa 50 von 170cm Höhe hat der Sandsackdamm erreicht. Gut zu sehen ist die chaotische Legeweise und die zwischen die Sandsacklagen gelegte Folie. Foto: THW Lehrte

Auf die erste Lage des Sandsackdammes sollte Folie gelegt und umgeschlagen werden, was sich später fatal auswirken sollte… Unser Abschnitt lag in der Mitte der zweieinhalb Kilometer langen Baustelle und so wurden vorn und hinten die Sandsacktransporte abgegriffen und wir hatten immer zu wenig Sandsäcke…

Das Wasser beginnt, sich am Sandsackdamm zu stauen, Landseitig sieht man ebenfalls in diesem frühen Baustadium schon Wasser – ein Indiz, dass die Sandsäcke nicht sorgfältig verlegt wurden und die Folie als wassersperrende Schicht nicht funktioniert. Foto: THW Lehrte

Es stellte sich heraus, dass der Sandsackdamm an einigen Stellen nicht dicht genug gebaut war… Zudem rutschten die Sandsäcke an manchen Stellen von der Folie, was den Sandsackdamm instabil machte… Mittlerweile war der Notdeich an so vielen Stellen instabil geworden, dass nur noch die undichten Stellen gestopft wurden.

Der Sandsackdamm ist kurz vor dem Versagen, die Sandsäcke rutschen von der Folie, Nachschub kommt nicht. Foto: THW Lehrte

Es wurde aber nicht mehr an Höhe gewonnen. [langsam wurde es dunkel] Gerade, als das Flutlicht angestellt wurde, brach der Notdeich an mehreren Stellen und alle erkannten, dass es für Waldersee keine Rettung mehr gab. Alle Einsatzkräfte wurden evakuiert…“

Sicherlich hätte diese Einsatzstelle anders koordiniert werden müssen. Die vielen Spontanhelfer waren zwar hoch motiviert, haben aber aufgrund der mangelnden Kenntnis die Sandsäcke nicht adäquat verlegt. Und binnen weniger Stunden einen zweieinhalb Kilometer langen Sandsackdamm mit einer Höhe von 1,70 Meter hochzuziehen ist selbst bei einer gut funktionierenden Logistik unmöglich.

Daneben sorgte aber vor allem der geforderte Folienverbau für das Versagen des Notdeiches.

Von einer einfachen, glatten und nassen Folie rutschen Sandsäcke (unabhängig vom Material) in der Regel sehr gut herunter, gerade auch, wenn die Sandsäcke nicht richtig verbaut werden.

Heutzutage wissen wir, dass Folie einen Sandsackdamm gut abdichtet – wenn sie korrekt verbaut wurde. Das bedeutet, die Folie eben NICHT in den Sandsackdamm einzubauen, sondern wasserseitig darüber zu legen, wenn der Sandsackdamm fertig ist. Wichtig ist, dass die Folie spannungsfrei, großzügig und möglichst ohne Falten verlegt wird, siehe Grafiken

Grafik: Miriam Herrmann
Grafik: Miriam Herrmann

Versuche haben gezeigt, dass die korrekt verlegte Folie einen Sandsackdamm nahezu abdichtet. Ohne wassersperrende Folie beträgt der Durchfluss bei einem zu 60cm eingestauten Sandsackdamm der Höhe 80cm bis zu einem Kubikmeter Wasser pro laufendem Meter. Wenn der Damm im Verbund gebaut wurde, bleibt dieser in der Regel trotzdem stabil. Man muss sich nichtsdestotrotz Gedanken machen, das durchströmte Wasser wieder zu beseitigen. Mit Folie ist dies kaum nötig.