Lernen aus der Hochwasserkatastrophe 2021 – Ein Plädoyer für ein besseres Zusammenwirken von Wasserwirtschaft und Katastrophenschutz

Ein Essay von Thomas Preiß

Die Hochwasserkatastrophe 2021 in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hat im Zusammenwirken von Wasserwirtschaft und Katastrophenschutz Schwächen aufgezeigt, die sich nachteilig auf den operativen Hochwasserschutz auswirkten.

Rückblickend werden die Ereignisse im Juli 2021 aus meteorologischer wie hydrologischer Sicht als ein außergewöhnliches Ereignis eingeordnet, das es lokal wie auch regional in diesem Ausmaß so noch nicht gegeben hat.

Angesichts der Außergewöhnlichkeit dieses Ereignisses stellt sich die Frage, ob hier der Katastrophenschutz bzw. der operative Hochwasserschutz an seine Grenzen kommt bzw. sogar an seine Grenzen kommen darf.

Mit Blick auf die Europäische Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie wird jedoch explizit gefordert, in die Betrachtungen auch „seltene Hochwasserereignisse“ einfließen zu lassen bzw. auch „signifikante Hochwasser der Vergangenheit“, wenn diese zu erwartbaren nachteiligen Folgen bei zukünftigen Ereignissen führen würden.

Signifikante Hochwasser der Vergangenheit waren zuweilen an der Ahr durchaus bekannt, z.B. 1804, 1888 und 1910. Auch davor um 1600 bzw. 1700 kam es zu markanten Hochwasserereignissen, von denen historische Quellen bisweilen berichten.

Was heißt das aber für den Katastrophenschutz? Welche Auswirkungen hat das auf den operativen Hochwasserschutz? Zunächst, dass es keine Grenze geben

 kann, bis zu der ein Handeln des Katastrophenschutzes erwartet werden kann. Katastrophenschutz muss auch das undenkbare Denken, muss Pläne, Konzepte vorhalten auch für den Fall eines historischen Hochwassers, wenn es dann eintritt.

Für den operativen Hochwasserschutz bedeutet dies, dass der Begriff zunächst weiter zu entwickeln ist und sich nicht allein auf ein Bündel von Maßnahmen zur Bewältigung der Hochwasserereignisse beschränken kann.

Dazu schlägt u.a. Prof. Jüppner von der Technischen Universität Kaiserslautern folgende Definition vor:

„Der operative Hochwasserschutz umfasst alle einsatzvorbereitenden und -durchführenden Maßnahmen und Planungen an der Schnittstelle zwischen Katastrophenschutz und Wasserwirtschaft mit dem Ziel, über die rein wasserwirtschaftliche Hochwasservorsorge hinaus Risiken vorzubeugen und Schäden durch Hochwasser und Starkregen zu reduzieren.“

Bisweilen konzentriert sich die wasserwirtschaftliche Hochwasservorsorge an dem politisch, technisch und finanziell umsetzbaren Möglichen. Das ist keine Kritik. Es reicht aber für den operativen Hochwasserschutz im Rahmen des Katastrophenschutzes nicht aus.

An nicht wenigen Flussläufen sind signifikante Hochwasserereignisse bekannt, die über den üblichen Bemessungsansätzen technischer Hochwasserschutzanlagen liegen. Das Wissen darum benötigt aber der Katastrophenschutz, weil es in einem Konzept zum operativen Hochwasserschutz Eingang finden muss. Welche potentiellen Risiken haben insbesondere

signifikante Hochwasserereignisse der Vergangenheit, wenn sie so in der Gegenwart passieren würden im Hinblick „auf die menschliche Gesundheit, die Umwelt, das Kulturerbe und wirtschaftliche Tätigkeiten“.

Foto: Manó Schütt

Das wäre dann auch die Lehre aus den Ereignissen 2021. Die hier aufgetretenen Ereignisse, auch wenn es sich zu teilen um Hochwasserereignisse handelt, die statistisch alle 500 oder 1.000 Jahre auftreten, müssen in die Risikobetrachtung mit einbezogen werden.

Zu berücksichtigen ist auch, dass mitunter das Ereignis auf technische Hochwasserschutzanlagen treffen kann, denen ein Bemessungsansatz zugrunde liegt, der zwar ein gewähltes Schutzziel erfüllt, das jedoch im Rahmen des politisch, technisch und finanziell umsatzbaren liegt, aber nicht im Rahmen des potentiellen Risikos.

Mehr und bessere Informationen sind jedoch nur das eine. Das andere sind eine bessere Kommunikation und ein besseres Verständnis füreinander.

Der Katastrophenschutz ist nicht für den operativen Hochwasserschutz geschaffen. Operativer Hochwasserschutz ist nur Teil des Ganzen einer Vielzahl von Szenarien die vom Eisenbahnunglück, Hitze/ Dürre, über den Waldbrand, den Ausfall kritischer Infrastruktur bis hin zum Orkanereignis reicht. Bei allem stehen immer im Mittelpunkt die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, die Umwelt, das Kulturerbe und die wirtschaftlichen Tätigkeiten.

Damit verbunden sind Entscheidungen von mitunter nicht zu unterschätzender Tragweite. Entscheidungen die auf fundierten, sachgerechten Informationen beruhen müssen, wenn die Frage im Raum steht, ob denn dem angekündigten Hochwasserereignis die Evakuierung eines ganzen Tales folgen muss.

Nach den Ereignissen in 2021 sollte im Ergebnis der Debatte das Ziel sein, wie Wasserwirtschaft und Katastrophenschutz besser Zusammenwirken können und sich die Hochwasservorsorge und der operative Hochwasserschutz gemeinsam verbessern lassen.